Der Geschäftsmodell-Innovationsprozess für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)

Geschäftsmodelle-Beratung-KMU

Im vorherigen Beitrag haben wir uns mit der Frage befasst, welchen Einfluss «AI» kurz- bis langfristig haben wird und welche Unternehmen in welchem Masse davon betroffen sein könnten. Dabei haben wir Unternehmen nach ihrem Technologiestatus differenziert. Der folgende Beitrag widmet sich der Frage, wie die Umsetzung von Geschäftsmodell-Innovation in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gestaltet und als wiederkehrender Prozess integriert werden kann. Es ist wichtig zu betonen, dass jeder Teilprozess als iterativer Feedback-Loop dient. Die Geschäftsmodell-Innovation ist zudem wie andere Unternehmensthemen als wiederkehrender Prozess zu verstehen.

Für uns, mit dem Beratungsschwerpunkt Geschäftsmodell-Innovation, stellt AI nicht nur eine Herausforderung dar, sondern auch eine interessante Veränderung, da sich viele Unternehmensbereiche und Prozesse gleichzeitig verändern. Die Komplexität und strategische Unsicherheit ist hoch. Unternehmen passen sich ihrem Unternehmenskontext oft inkrementell und unbewusst an. Im täglichen Geschäft stehen vor allem operative Fragen im Mittelpunkt. Dieser Fokus ermöglicht es, schlanke Prozesse und qualitative Produkte zu entwickeln. Dabei wird das Thema Geschäftsmodell teilweise vernachlässigt. In der Literatur und aus Praxisbeispielen gilt das Vernachlässigen der strategischen Weiterentwicklung – in unserem Fokus die Innovation von Geschäftsmodellen – als Geschäftsrisiko. Für eine langfristige Geschäftsentwicklung müssen Ressourcen zur Verfügung gestellt und Risiken bewusst eingegangen werden. Dabei ist es wichtig, diese Planungen in die Geschäftsstrategie einzubinden und strukturiert umzusetzen. Für diesen Zweck haben wir unseren Leitfaden für KMUs entwickelt. Dieser Prozess baut auf bekannten Modellen auf und vereint verschiedene Ansätze.

1. Starten Sie mit einer Ist-Analyse.

In dieser Phase werden alle Unternehmensfaktoren analysiert, einschliesslich interner und externer Aspekte. Das Vertriebsmodell und die Marketingplanung beispielsweise sind Teil der inneren Faktoren, die zusammen mit einer Bewertung Ihres Dienstleistungs- und Produktportfolios betrachtet werden. Weitere Analysen umfassen Prozesse und Strukturen. Diese umfangreiche Analysephase zielt darauf ab, Ihren bisherigen Geschäftsverlauf und Ihre Positionierung präzise zu erfassen und vertieft zu verstehen. Obwohl Geschäftsmodelle oft organisch entstehen und sich entwickeln, ist es wichtig, eine aktuelle und neutrale Darstellung Ihres Geschäftsmodells für eine strategische Ausrichtung zu erstellen.

2. Analysieren Sie Ihre Ist-Nachfrage.

Nach dieser ganzheitlichen Betrachtung wird der Fokus auf Ihre aktuelle Nachfrage gelegt. Wer kauft Ihre Produkte und/oder Ihre Dienstleistungen? Wie ist Ihre Entwicklung im Unternehmens- und Marktkontext zu bewerten? Wo liegen Ihre Wettbewerbsvorteile und Kernkompetenzen? Für viele etablierte Unternehmen ist dieser Schritt auf den ersten Blick oberflächlich. Bei genauerer Betrachtung werden Sie jedoch oft feststellen, dass eine sorgfältige Analyse wichtig für die strategische, finanzielle und organisatorische Weiterentwicklung ist. Themen wie beispielsweise Granularität der Verkaufsvolumen, Kundengruppen und deren Umfeld (das gilt sowohl für B2B als auch B2C), Abhängigkeiten, Finanzrisiken, geographische und demographische Themen sind je nach Unternehmensumfeld wichtige Aspekte und legen sowohl Chancen als auch Risiken dar.

3.a Evaluieren Sie, welche Kundenbedürfnisse sich aktuell durch Markttreiber (z.B. AI) verändern.

Nach einer Erfassung Ihrer bisherigen Geschäftsentwicklung und Ihrer Prozesse werden Potenziale für aktuelle Marktveränderungen untersucht. Dies beinhaltet eine Auswertung interner Analysen in Ihrem Unternehmen sowie externe Marktdaten. Die Herausforderung in diesem Schritt ist es, möglichst qualitative Informationen daraus abzuleiten. Die Ergebnisse der Auswertungen werden mit aktuellen Chancen wie beispielsweise anwendungsbereiten AI-Lösungen verglichen. Mit der Implementierung ergeben sich oft inkrementelle Veränderungen Ihres Geschäftsmodells oder Ihrer Geschäftsmodelle. In unserer Artikelreihe geht es um AI, dies betrifft jedoch auch alle weiteren Treiber, beispielsweise auch regulatorische oder ökonomische Veränderungen. Sie können unseren Leitfaden daher generalistisch nutzen und situationsabhängig anwenden.

3.b Evaluieren Sie, welche Kundenbedürfnisse zukünftig durch Markttreiber (z.B. AI) entstehen.

Die Analyse der aktuellen Nachfrage im vorherigen Schritt und der Vergleich mit vorhandenen Chancen steht nur bedingt für den theoretischen Grundgedanken der Geschäftsmodell-Innovation. Dieser richtet seinen Fokus auf zukünftige Veränderungen und die Ausrichtung des Geschäftsmodells danach. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass beide Perspektiven ihre Berechtigung haben. Die aktuelle Nachfrageentwicklung ist – abhängig von der Nähe des neuen Produkts/ Marktes – eng mit der zukünftigen Nachfrageentwicklung verbunden. Aus den gewonnenen Informationen werden in dieser Perspektive langfristige Nachfrageveränderungen abgeleitet, die für eine zukunftsorientierte Geschäftsmodell-Innovation relevant sind.

Das Risiko für Unternehmen bei einer rein aktuellen Betrachtung besteht darin, dass sich die Nachfrage nach bestimmten Gütern empirisch gesehen negativ entwickelt. Stark vereinfacht können hier Produktlebenszyklen von Produkten oder Dienstleistungen innerhalb einer Organisation in einer Nachfragekurve kumuliert werden. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen ab einem kritischen Punkt möglicherweise nicht über ausreichende Ressourcen für Veränderungen verfügen oder dass die Markteintrittsbarrieren in neuen Märkten mit konkurrierenden Geschäftsmodellen bereits zu hoch sind. Häufig sind es Startups, die etablierte Marktführer unter Druck setzen, indem sie innovative Geschäftsmodelle einführen und neue Märkte erschliessen – eine Entwicklung, das als «Disruption» bekannt ist. Zudem können die Widerstände gegen Veränderungen mit negativer Geschäftsentwicklung zunehmen. Die einzige Ausnahme bilden Unternehmen im primären Wirtschaftssektor wie beispielsweise Rohstoffgewinnung, die eine (relativ) stabile Marktnachfrage aufweisen. Dennoch könnten auch diese langfristig einer negativen Nachfrage gegenüberstehen.

Ein anschauliches und vereinfachtes Beispiel hierfür ist die Nachfrage nach dem Rohstoff Holz. Neue und innovative Materialien (wie in diesem spannenden Beispiel nachzulesen) sowie ökologische Regulierungen wie Klimaziele stellen langfristig eine reale Gefahr für das Geschäftsmodell von Holzverarbeitern dar. Um dieser Herausforderung zu begegnen, müssen diese Unternehmen ihre Geschäftsbereiche diversifizieren und heute  innovativere Substitutionsgüter einbeziehen. Dieser Schritt wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das langfristige Geschäftsmodell verändern und erfordert eine strategische Planung. Der technologische Fortschritt senkt branchenübergreifend und kontinuierlich die Produktionskosten von innovativen Lösungen (physisch und digital). In unserem Kontext der künstlichen Intelligenz bedeutet das, dass aufgrund sinkender Computing-Kosten wahrscheinlich schon kurzfristig ehemals nicht-profitable Anwendungen nun Realität werden. Unternehmen müssen handeln, um langfristige Geschäftsmodelle aufzubauen und Erfahrungswerte zu sammeln.

4. Geschäftsmodell Design mit Erkenntnissen.

Die Veränderungen der aktuellen Marktbedürfnisse und die zukünftigen Veränderungen werden in diesem Schritt gemeinsam betrachtet und ein Design des neuen Geschäftsmodells (oder der Geschäfsmodelle) erstellt. Hierbei ist es wichtig festzuhalten, dass Unternehmen ihr bisheriges Geschäftsmodell nicht ad-hoc verändern oder aufgeben. Bei Unternehmen mit mehreren Geschäftsbereichen und einer bisher positiven Entwicklung wird das neue Geschäftsmodell für die zukünftige Nachfrage parallel eingeführt und so konzipiert, dass sowohl strategische als auch operative Ressourcen optimal eingesetzt werden. Wie sich die Geschäftsmodell-Innovation darstellt, ist immer individuell. Oft sind es jedoch digitale Elemente, die im neuen Geschäftsmodell stärker präsent sind. Das Investitionsrisiko ist vergleichsweise gering einzuschätzen.

5. Entwicklung des Geschäftsmodells.

Abhängig davon, wie das aktuelle und zukünftige Geschäftsmodell verändert wird und welche internen Ressourcen beeinflusst werden, ist oft eine schrittweise Implementierung sinnvoll. Bei digitalen Veränderungen starten wir mit einem Prototyp, POC (Proof of Concept) oder einem MVP (Minimal Viable Product). Die nötige Expertise können wir Ihnen für die Planung, Konzeption und die Design-Phase anbieten. Die technische Entwicklung Ihrer Lösung kann in Zusammenarbeit mit Ihrem Unternehmen oder erfahrenen Partnerfirmen sichergestellt werden.

Bei Geschäftsmodellen, die digital nicht verändert oder neu entwickelt werden, werden die Prozesse im jeweiligen Unternehmensfeld entsprechend angepasst. Auch hier gilt es, potenzielle Fehlerquellen in die Planung einzubeziehen und frühzeitig zu erkennen. Geeignete Umgangsstrategien sind immer begleitend mitzuentwickeln. Operative Prozesse werden grundsätzlich Schritt für Schritt verändert, um sowohl bestehenden Kundenansprüchen gerecht zu werden als auch eine qualitative Einführung der neuen Prozesse zu ermöglichen.

6. Kommunikation und Implementierung des Geschäftsmodells.

Vor und während der Implementierung und Veränderung von Geschäftsmodellen (oder Neugründung eines neuen Geschäftsmodells innerhalb Ihrer bestehenden Organisation oder eines Geschäftsbereichs), sollten diese in Ihrem Unternehmen transparent kommuniziert werden. Abhängig vom Veränderungsgrad und davon, wie gut die Mitarbeiter in den vorherigen Schritten eingebunden wurden, ist mit einer natürlichen Barriere zu rechnen. Wichtig ist es, von Anfang an transparent zu kommunizieren, um die langfristigen Vorteile der Veränderungen zu vermitteln. Veränderungen und die Einführung neuer Geschäftsmodelle bieten Ihnen und Ihren Mitarbeitenden langfristigen Mehrwert.

Wir sind ein Grossunternehmen, was weicht von diesem Leitfaden für uns ab?

Die Implementierung des Geschäftsmodell-Innovation-Prozesses in KMU ähnelt dem in Grossunternehmen. Die Komplexität und die organisatorischen Hürden sind jedoch höher. Für Unternehmen mit komplexer Unternehmensform wie beispielsweise Matrixstrukturen ist unser Leitfaden weniger einfach übertragbar. Der Grund ist, dass die hierarchischen und starken prozess- und produktgebundenen Verantwortlichkeiten oft ganzheitliche Entscheidungen erschweren. In der Praxis lassen sich auch Zielkonflikte und Fehlanreize erkennen, was zu ungenügender strategischer Flexibilität führt. Diese Risiken müssen auf ein Minimum reduziert werden. Das ist möglich, muss von den Entscheidungsträgern für eine erfolgreiche Strategie aber immer explizit angestossen werden.

Die Geschäftsmodell-Innovation unterscheidet sich dahingehend stark von inkrementellen Produktinnovationen, wo Geschäftsbereiche individueller operieren können. Eines der wichtigsten Ziele einer Unternehmensführung muss es daher sein, eine interne Unternehmenskultur so zu formen, dass die Weiterentwicklung und Neugestaltung von Geschäftsmodellen möglich ist und die Barrieren dazu niedrig sind. Oft werden dafür interdisziplinäre Teams zusammengestellt und/oder eigene Abteilungen geschaffen. Dies kann eine geeignete Methodik darstellen. Eine Schwäche und das Risiko bei diesem Ansatz ist die organische Veränderung im Unternehmen und dass beispielsweise implizites Wissen nicht verfügbar ist. Für Grossunternehmen sind Kooperationen mit höheren Ressourcen notwendig, um sowohl organisatorische Herausforderungen zu meistern als auch methodische Anforderungen abzudecken. 

 

Fazit:

Unser Leitfaden soll Ihnen und Ihrem KMU dabei helfen, eine umfassende Bewertung Ihrer Geschäftssituation vorzunehmen und Sie für mögliche Veränderungen zu inspirieren. Durch die Anwendung dieses Leitfadens können Sie das volle Potenzial Ihres Unternehmens optimal ausschöpfen und auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet sein.

Vielen Dank für Ihr Interesse. Die kommenden Beiträge werden sich mit weiteren Themen der Geschäftsmodell-Innovation beschäftigen und auf die Fragen eingehen, die Sie möglicherweise zu diesem Artikel oder dem vorherigen Beitrag haben. Diesbezüglich können Sie uns auch kontaktieren oder direkt ein unverbindliches Erstgespräch buchen.

Abkürzungsverzeichnis:

AI – Artificial Intelligence (Künstliche Intelligenz)

POC – Proof of Concept

MVP – Minimal Viable Product

KMU – Klein- und mittlere Unternehmen